Claude Piron

Das Recht sich mitzuteilen und verstehen


Obschon unsere Gesellschaft von Wirksamkeit besessen ist, interessiert man sich seltsamerweise nicht für das Verhältnis zwischen dem Aufwand der Erlernung einer Fremdsprache und dem Ergebnis sowie den anfallenden riesigen Kosten. In der ganzen Welt lernen Kinder und Heranwachsende jahrelang Fremdsprachen, mit meistens unbefriedigendem oder jämmerlichem Ergebnis.


Das gewählte Verständigungsmittel kann in unserem Leben ernsthafte Auswirkungen haben. Es ist beispielsweise ein Erfordernis, dass die Verständigung zwischen dem Flugpiloten und dem Kontrollturm so sichergestellt ist, dass die Fluggäste keine Gefahr befürchten müssen. Aber so ist es leider nicht. Diese Verständigung erfolgt in Englisch, aufgrund einer provisorischen Empfehlung der Organisation für internationale Zivilluftfahrt, ein 1951 angenommener Beschluss, dessen provisorischen Status man nie überprüfte. Die gleiche Organisation führt eine Liste über Sprachprobleme im Flugverkehr, die sage und schreibe die drittgrösste Unfallursache ausmachen.


Paradoxerweise ist Englisch eine der ungeeignetsten Sprachen für die internationale Verständigung. Die Aussprache ist schwierig, die Grammatik ungenau, die Wortbedeutung vielsinnig. Das ist Anlass zu folgenschweren Missverständnissen im Luftverkehr.


Das Recht, sich mitzuteilen und zu verstehen beinhaltet auch das Recht auf eine Kommunikation, die unser Leben schützt, die uns wegen sprachlichen Unvermögens nicht der Lächerlichkeit und Scham aussetzt. Es geht um das Recht, sich gleichberechtigt auszudrücken, ohne Vor- und Nachteile zu haben. Denn wer eine fremde Sprache sprechen muss, erleidet ein Erschwernis, das umso grösser ist, wenn eine Sprache kompliziert ist und der Logik und spontanen Funktion des Gehirns widerspricht.


Die Völker und ihre Informationsvermittler und Entscheidungsträger dulden diese Benachteiligungen mit erstaunlicher Trägheit oder sind sich ihrer nicht bewusst. Die Tatsache, dass unsere Gesellschaft die Wichtigkeit der Sprache als Faktor der Menschenwürde nicht wahrnimmt, führt zu versteckten Formen der Diskriminierung, die eine freie Kommunikation behindert.


Die Behörden aller Länder und die Verantwortlichen internationaler Organisationen sollten zur Kenntnis nehmen, dass eine internationale Brückensprache, nämlich Esperanto, existiert und nach objektiven Kriterien jenes Verständigungsmitel ist, das weltweit das beste Kosten/Nutzenverhältnis aufweist. Die Sprache ist wegen der einfachen Grammatik und des internationalen Wortschatzes leicht lernbar, Es ist ein Sprachsystem, das psychologisch voll befriedigt und kulturell niemanden benachteiligt. In der ganzen Welt wird Esperanto in menschlichen Netzwerken verwendet, die zusammen eine Art Diaspora bilden, wo sprachliche Benachteiligung mehr oder weniger überwunden ist. Die Erfahrung in diesem Bereich gleicht einer Pilotstudie, die beweist, dass das Mittel dem Ziel entspricht.


Man überprüfe die Fakten. Wenn Esperanto die Verständigung von Mensch zu Mensch weltweit vereinfacht und erleichtert, müsste der Unterricht in den Schulen geplant werden. Viele Regierungen stecken Riesensummen in den Unterricht der englischen Sprache, obwohl die Ergebnisse im Vergleich zu Esperanto ernüchternd ausfallen. Es wäre deshalb angezeigt, unwirksame Investitionen zu vermeiden und die Menschheit von den sprachlichen Barrieren zu befreien. Wir müssen das Bewusstsein über die Sprachenproblematik wecken sowie für mehr Gerechtigkeit in der internationalen Sprachenpolitik eintreten.


PS. Der Autor Claude Piron war Uebersetzer, ist Psychologe und Esperanto-Schriftsteller. Aus dem Esperanto übersetzt.